Abend-Besinnungen in der Weihnachtszeit vom 01. bis 06. Januar
von Andreas Wandtke-Grohmann, Gemeindedienst der Nordkirche
Diese Zeit ist eine besondere: „Zwischen den Jahren“ sagt man dazu. Für viele beginnt hier die Pause im Jahreslauf, das schlussendliche Aufatmen. Das große Fest ist geschafft – und das neue Jahr hat noch nicht angefangen. Zwischen dem Vergehenden und dem Kommenden: eine ausgesonderte, besondere Zeit. Diese Schwellenzeit ist Zeit für mich, Zeit im Übergang, um die inneren Angelegenheiten zu ordnen.
Und die melden sich häufig von selbst: in den Träumen in den langen, dunklen Nächten. Die Trennwände zwischen Wachen und Träumen werden durchlässig. Und da regen sich nicht nur Ängste und Dunkelheiten – auch das Helle und Helfende will sich zeigen. Es ist gut, dem Aufmerksamkeit zu schenken. Und sich neu zu gründen in dem, was trägt auch in unsicheren Zeiten. Sich neu auszurichten auf das Licht, das im Dunkel geboren wird. Und damit in ein neues Jahr zu gehen. In diesem Jahr ist vieles noch ein wenig stiller als sonst. Keine großen Konzerte und Gottesdienste in den Kirchen, weniger große Treffen im Familien- und Freundeskreis. Vieles werden Sie vermissen. Und doch ist da eine Chance, wesentlicher zu werden. Klarer und bewusster. Sie können selber diese Zeit gestalten mit dem, was Ihnen hilft und entspricht. Für jeden Abend gibt es hier einen kleinen biblischen Impuls: eine Anregung, dem ein wenig nachzusinnen.
Zu Hause
Machen Sie sich das zum Geschenk: einen täglichen Moment, um zur Besinnung zu kommen. Am Abend mit einer Kerze. Beim Heimkommen nach dem Spaziergang durch Wind und Wetter. Vielleicht mit einer kleinen Musik vorweg. Aufrecht sitzend auf einem Kissen oder in ihrem Lieblingssessel. Geben Sie dieser Zeit einen Rahmen, einen Anfang und ein gutes Ende. „Amen“ kann man da sagen am Schluss oder „Segen für alle“.
Als Andacht in der Kirche
Man kann sich dafür auch mit anderen zu einer kleinen Andacht treffen in der Kirche, abends um 18 Uhr zum Beispiel. Mit einer kleinen Gruppe, die als Team verantwortlich für diese Andacht ist. Der Ablauf ist beispielsweise so:
Eröffnung
Musik
Impuls für den Tag
Schweigen
Gebet und Segen
Musik
Die Impulse für die einzelnen Tage gibt es auf den folgenden Seiten oder unten im Download. Mehr „Liturgien der Verheißung“ gibt es hier zu finden.
Abend-Besinnungen in der Weihnachtszeit vom 26. bis 31. Dezember
von Andreas Wandtke-Grohmann, Gemeindedienst der Nordkirche
Diese Zeit ist eine besondere: „Zwischen den Jahren“ sagt man dazu. Für viele beginnt hier die Pause im Jahreslauf, das schlussendliche Aufatmen. Das große Fest ist geschafft – und das neue Jahr hat noch nicht angefangen. Zwischen dem Vergehenden und dem Kommenden: eine ausgesonderte, besondere Zeit. Diese Schwellenzeit ist Zeit für mich, Zeit im Übergang, um die inneren Angelegenheiten zu ordnen.
Und die melden sich häufig von selbst: in den Träumen in den langen, dunklen Nächten. Die Trennwände zwischen Wachen und Träumen werden durchlässig. Und da regen sich nicht nur Ängste und Dunkelheiten – auch das Helle und Helfende will sich zeigen. Es ist gut, dem Aufmerksamkeit zu schenken. Und sich neu zu gründen in dem, was trägt auch in unsicheren Zeiten. Sich neu auszurichten auf das Licht, das im Dunkel geboren wird. Und damit in ein neues Jahr zu gehen. In diesem Jahr ist vieles noch ein wenig stiller als sonst. Keine großen Konzerte und Gottesdienste in den Kirchen, weniger große Treffen im Familien- und Freundeskreis. Vieles werden Sie vermissen. Und doch ist da eine Chance, wesentlicher zu werden. Klarer und bewusster. Sie können selber diese Zeit gestalten mit dem, was Ihnen hilft und entspricht. Für jeden Abend gibt es hier einen kleinen biblischen Impuls: eine Anregung, dem ein wenig nachzusinnen.
Zu Hause
Machen Sie sich das zum Geschenk: einen täglichen Moment, um zur Besinnung zu kommen. Am Abend mit einer Kerze. Beim Heimkommen nach dem Spaziergang durch Wind und Wetter. Vielleicht mit einer kleinen Musik vorweg. Aufrecht sitzend auf einem Kissen oder in ihrem Lieblingssessel. Geben Sie dieser Zeit einen Rahmen, einen Anfang und ein gutes Ende. „Amen“ kann man da sagen am Schluss oder „Segen für alle“.
Als Andacht in der Kirche
Man kann sich dafür auch mit anderen zu einer kleinen Andacht treffen in der Kirche, abends um 18 Uhr zum Beispiel. Mit einer kleinen Gruppe, die als Team verantwortlich für diese Andacht ist. Der Ablauf ist beispielsweise so:
Eröffnung
Musik
Impuls für den Tag
Schweigen
Gebet und Segen
Musik
Die Impulse für die einzelnen Tage gibt es auf den folgenden Seiten oder unten im Download. Mehr „Liturgien der Verheißung“ gibt es hier zu finden.
Radiogottesdienst zum Evangelischen Frauensonntag 2020
Der Radiogottesdienst zum bundesweiten Evangelischen Frauensonntag sollte eigentlich im April gefeiert werden. Wie überall kam auch hier Corona dazwischen. Vor zwei Wochen aber, noch vor dem zweiten Lockdown, konnte der Gottesdienst aus der Kirche St. Severin in Ilberstedt in Sachsen-Anhalt live vom Mitteldeutschen Rundfunk übertragen werden. Jetzt ist er als Stream nachzuhören.⬇
Elke Maier „Luna Vista _ Eine Begegnung zwischen Himmel und Erde“ Künstlerische Raumintervention aus feinstem weißen Baumwollgarn (ca. 40.000 m) im Turm von Schloss Bruck, Lienz/ Tirol (2007) [(c)Elke Maier für das abgebildete Kunstwerk und das Foto]
Der diesjährige Gottesdienst zum Ev. Frauensonntag trägt den Titel „Lasst euer Licht leuchten!“ und scheint sein Hoffnungslicht mitten hinein in die November- und Corona-Tristesse. Im Zentrum steht ein Text aus der Bergpredigt: Ihr seid das Licht der Welt. Die Stadt hoch auf dem Berg kann sich nicht verstecken. Niemand zündet ein Licht an und stellt es dann unter einen Krug. Es wird vielmehr auf den Leuchter gesetzt. Dann leuchtet es für alle, die im Haus sind. So soll auch euer Licht den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Gott im Himmel loben.1 Dieses bekannte Jesuswort regt dazu an, das Phänomen Licht in seinen vielen Facetten zu ergründen und so den biblischen Text buchstäblich zum Leuchten zu bringen. In drei Zeugnissen von Frauen wird ihr Erleben in der aktuellen Situation der Corona-Pandemie aufgegriffen und ins Licht des biblischen Textes gestellt.
Keine ist so schön wie Paulinchen! Samtig-weich und zugleich ein wenig kitzlig fühlt es sich an, wenn ich sie berühre. Das Zusammenspiel der Farben, das dunkle Flaschengrün und mit dem zart leuchtenden Gelb, kleidet sie wunderbar. Ich schaue jeden Tag nach ihr. Seit genau sechs Monaten begleitet sie mein Leben.
„Paulinchen“ im August [Foto: Katja Hose]
Paulinchen ist meine Tomatenpflanze. Es ist die erste Tomatenpflanze, die ich nicht auf dem Wochenmarkt gekauft, sondern selber aus einem winzigen Samenkorn gezogen habe. Anfang Februar habe ich sie auf der Frauendelegiertenkonferenz der Nordkirche gepflanzt. Den Wunsch ein praktisches und niedrigschwelliges Projekt zum Klimaschutz ins Leben zu rufen, haben Frauen aus der ganzen Nordkirche bei der Abschlussandacht bekräftigt. Dabei hat jede einen winzigen Tomatensamen in ein kleines Töpfchen Erde gesteckt. Die Saat, die mir zufiel, hatte den Namen Paulinchen.
In meinem Auto zog das Töpfchen von Marne nach Kiel um und fand seinen Platz auf unserem Küchentisch. Ab und zu eine kleine Portion Wasser! Keine Zeit für mehr Zuwendung, das Einräumen der Wohnung war dringlicher. Ein freudiger Schauer durchfuhr mich, als ich tatsächlich die allerersten winzigen Blättchen auf der braunen Erde entdeckte – kleiner als Stecknadelköpfe. Das soll eine Tomate werden? Na, wenn das man kein Unkräutlein ist, das da so schnell aus dem Nichts auftaucht. Weiter gießen, viel Geduld, dann mein großer Schrecken: die beiden Keimblätter verfärben sich gelb, werden welk, also doch mehr brauner Damen und zu viel Umzug! Das war‘s dann wohl! Auf dem Topf prangte der Aufkleber mit dem Jahresthema der Frauenarbeit – „Mut wächst!“. Paulinchen schien der Mut zum Wachsen verlassen zu haben. Meine Hoffnung sank in den Keller. Diese kleinen gelben Blättchen welkten viele Tage vor sich hin. Sollte ich mehr Wasser geben oder doch lieber weniger? Ich war ratlos und ließ – fast wie zur Beerdigung meines Projektes – etwas Kaffeesatz in das Töpfchen rieseln. Mein Mann trinkt bekanntlich „Lazaruskaffee“, also ein Gebräu, das Tote aufzuerwecken vermag.
„Paulinchen“ im April [Foto: Katja Hose]
Bei Paulinchen klappte es. Mitten in der tiefsten Verunsicherung des Corona-Lockdowns zeigte sie das erste zauberhafte Tomatenblättchen mit den typischen Einkerbungen und einem zarten Flaum auf tiefgrünem Grund. Ich war verzückt. Von da an wuchs mein Mut, mich trotz Corona in dieser Wohnung und dieser Stadt einleben zu können mit jedem Millimeter, den mein Tomatenpflänzchen zulegte. Es kamen kleine Rückschläge. Paulinchen forderte meine Geduld. Um Ostern herum zweifelte ich, ob ich jemals eine Tomate würde ernten können, so winzig war dieses Pflänzchen immer noch, aber darauf kam es mir gar nicht mehr an. Paulinchen war für mich längst mehr geworden als eine Nutzpflanze. Vor einem halben Jahr war es für mich total unvorstellbar, dass aus dem Samenkorn so ein Dschungel von grünen Blättern wachsen würde. Jetzt blüht Paulinchen leuchtend gelb auf unserem Balkon. Eigentlich sollten schon Tomaten zu sehen sein, die sich freundlich röten und ernten lassen. Ich weiß – ich hätte wohl noch mehr ausgeizen sollen. Egal – es geht hier nicht um die Größe meiner Ernte! Hier ist eine Beziehung in mein Leben getreten, die etwas mit Sorge und Verantwortung zu tun hat, nicht nur einseitig, sondern sogar gegenseitig. Diese Pflanze hat dafür gesorgt, dass mein Mut gewachsen ist und meine Hoffnung gestärkt wurde.
Mut wächst! Das gilt ganz besonders für die Freund*innen von Jesus zu Pfingsten. Sie sitzen wartend an einem Ort zurückgezogen beieinander. Plötzlich trauen sie sich hinaus – mitten hinein in die Vielfalt der Menschen und erheben ihre Stimme. Gottes Heilige Geistkraft setzt diese Dynamik in Gang. Sprechen, zuhören, antworten, verstehen – alle gemeinsam über Sprachbarrieren hinweg – das ist für mich Pfingsten, das begeistert mich bis heute. Aber wird dieser Funke zünden in unseren Kirchen, in denen wir jetzt im weiten Abstand voneinander sitzen und hinter den Gesichtsmasken murmeln und mitsummen? Die Vorstellung, dass die Heilige Geistkraft uns Menschen wirklich pfingstlich ergreift, aus den Kirchenbänken zieht, Fremde miteinander in den Kontakt bringt und sich ansteckend untereinander fortpflanzt, wird wohl allen Verantwortungsträger*innen in diesen Tagen den Angstschweiß auf die Stirn treiben. Findet die Geistkraft überhaupt zwischen den mit Sorgfalt ausgearbeiteten und diszipliniert umgesetzten Sitzordnungen Raum? Ich mache mir da keine Sorgen. Sie weht, wo sie will. Sicherheitsabstände sind für sie keine Hürde. Ihr frischer Wind vermag den Corona-Blues zu vertreiben. Und dabei muss kein Mensch unvorsichtig werden.
[by MW via Pixabay]
Was lässt mich auf diesen Geist des Lebens, den Gott pfingstlich ausgießt, vertrauen? Dingfest machen, in Besitz nehmen, für sich pachten lässt die Geistkraft sich nicht, aber dieses wunderbar lautmalerische hebräische Wort weist mir die Richtung: Die „Ruach“ raunt bei jedem Atemzug durch meinen Körper. Dieses hebräische Wort kann „Atem“, „Wind“ oder auch „Geist“ bedeuten. Wenn ich ganz bewusst tief Luft hole und dann wieder ausatme, komme ich zu mir selbst, finde meine Ruhe und spüre, wie ich unwillkürlich etwas tue, was zugleich mit mir geschieht. Gottes Geistkraft muss sich nicht unbedingt ekstatisch, laut und alles durcheinanderwirbelnd in unsere Welt mischen. Sie kennt auch ganz andere Wege. Mein stilles Atmen verbindet mich mit ihr und lässt mich lauschen. Ich strecke mein Ohr aus nach dem sanften Sausen, mit dem zum Beispiel Elia Gottes Nähe spürte, als er sich in die Felsspalte am Horeb zurückzog (1. Könige 19). Ein Mund-Nasenschutz, der sinnvollerweise bei Begegnungen zu tragen ist, hält die Tröpfchen mit den Viren auf. Meine Verbindung zu Gottes Lebenskraft lässt sich dadurch aber nicht stören. Mein Atem weist mir die Richtung, wie ich der Geistkraft nachspüren kann.
Im Pfingstgeschehen liegt aber noch mehr als die spirituelle Erfahrung, dass Gottes Kraft mich wie mein Atem durchströmen kann. Pfingsten zeigt, dass Gott nicht nur in einzelnen besonderen Persönlichkeiten wirkt, sondern die Heilige Geistkraft zu allen Menschen in ihrer großen weltweiten Vielfalt kommt und sie einander verstehen lässt. Das macht mir Hoffnung in diesen Tagen und lässt meinen Mut wachsen.
Die Corona-Pandemie bringt Gefahr und Leid mit sich. Sie trifft in ihren Auswirkungen diejenigen besonders hart, deren Leben ohnehin schon durch Ungerechtigkeit geprägt war. Weil das so ist, kommt es jetzt darauf an, nicht so schnell wie möglich zur alten Normalität zurückzukehren. Denn vieles von dem, was uns als normal und selbstverständlich gegolten hat, ist darum nicht zugleich richtig und gut.
Pfingsten inmitten der Corona-Pandemie zu feiern, das heißt für mich, dem Wirken der Heiligen Geistkraft Raum zu geben, sich jetzt nicht einfach in den Strudel der vermeintlichen Normalisierung hineinziehen zu lassen, sondern auf den Geist der Wahrheit zu lauschen. Nach dem Johannes-Evangelium verabschiedet sich Jesus von den Seinen mit der Zusage, dem Trost, dass er Gott um den Geist der Wahrheit bitten wird (Johannes 14,16f). Und die Wahrheit wird frei machen (Johannes 8,32). Eine App, die uns Kontakte mit Infizierten meldet, ein Impfstoff gegen das Corona-Virus oder die weitere Beschleunigung unserer Kommunikation in der digitalen Welt werden uns nicht frei machen. Sie können nützlich sein und uns helfen, aber befreien werden sie uns nicht. Wirtschaftliche Hilfen für Menschen in Not sind absolut wichtig, aber wenn es nur darum geht, den Konsum wieder anzukurbeln, dann wird die Chance aus der Krise zu lernen verpasst.
Wenn ich in diesen Pfingsttagen in mich hineinhorche, dann
höre ich ein Raunen, das mir sagt: Jetzt ist die Zeit, um Grundlegendes in
unserem Zusammenleben zu verändern. Wir alle benötigen Fürsorge. Also muss
Care-Arbeit gerecht verteilt, gestaltet und bezahlt werden. Wir alle wollen gut
leben. Also muss sich unser Wirtschaften am Gemeinwohl orientieren. Wir alle sind Teil von Gottes wunderbarer Schöpfung. Also
muss sich unser Umgang mit der Erde, mit Tieren und Pflanzen grundlegend
ändern. Die Corona-Krise zeigt uns
wahrhaftig, wo wir stehen. Wir können jetzt unsere Chance erkennen und handeln.
[by Kiều Trường via Pixabay]
Dies sind meine Gedanken. Ich behaupte nicht, dass der Geist der Wahrheit sie mir einflüstert. Das wäre vermessen. Pfingsten zeigt mir aber deutlich: Gottes Geist kommt zu allen Menschen in ihrer großen Vielfalt und schenkt gegenseitiges Verstehen. Das macht Mut, jetzt nicht schnell zur althergebrachten Tagesordnung überzugehen, sondern sich ernsthaft Zeit für die anstehenden Fragen zu nehmen und die Debatten mit allen zu führen. Verständigung und gemeinsames Handeln sind nicht nur möglich in der Corona-Krise, sondern Gottes Weg mit uns Menschen. Gottes Geistkraft nutzt auch den Sicherheitsabstand zwischen uns und öffnet jetzt unsere Augen und Herzen für die Wahrheit. Mut wächst.
… das riet vor über 1000 Jahren Benedikt von Nursia. Und selbst heute, 1000 Jahre später ist es das, was uns besonders schwerfällt; selbst dann noch, wenn der Straßenlärm und die gewohnten Hintergrundgeräusche unseres Alltags in den vergangenen Wochen insgesamt leiser geworden sind. Und doch: Geräuschkulisse als schon süchtige Ablenkung?
Kennst Du diese Sehnsucht nach echtem Innehalten, Schweigen und Hören? Nach konzentriertem zuhören? Hören ist das erste, was wir als Mensch tun. Gerade auf die Welt gekommen, kennen wir die Stimme unserer Mutter längst – aus dem Bauch. Selbst wer im Sterben liegt, hört immer noch, was um ihn herum passiert – bis zum letzten Atemzug. Hören ist eine wesentliche Verbindung zur Welt.
Schweige und höre…
Unsere Ohren orientieren, warnen und behüten uns. Bei unangenehmen, unheimlichen Geräuschen, sträuben sich mir die Nackenhaare. Beim Hören von Mozarts Requiem läuft mir eine Gänsehaut über den Rücken. Das Ohr ist unser innigster Zugang zur Welt. Wie reagierst Du auf die QuaranTöne? Wenn ich genau hinhöre, aufmerksam zuhöre, werde ich selten getäuscht.
Was aber geschieht mit den Ohren, die das Zuhören wegen unaufhörlicher, medialer Berieselung, noch dazu oft über Kopfhörer, verlernt haben? Was wäre, wenn wir in diesen Tagen der Unterbrechung Momente der Stille zulassen? Mit dem Psalm-Wort, Meine Seele ist stille zu Gott, der mir hilft (Psalm 62,2), für eine Weile, aus der durch Lärm entstandenen Taubheitskultur herauswachsen – und aufhorchen! Was von uns selbst würden wir erhören? Das, was mir geschenkt ist, meine Lebensaufgabe, Träume und Herzensanliegen?
Das
wünsche ich uns in diesen Tagen! Die eine oder andere Gelegenheit auf
Nebengeräusche zu verzichten und in einer plötzlich entstandenen Stille mir
selbst und der Natur im Aufbruch zu lauschen.
Schweige und höre, neige deines Herzens Ohr, suche den Frieden.Amen.
[alleFotos von Silke Meyer]
Psalm 62
Nur bei Gott wird mein Leben still. Von ihm kommt meine Befreiung. Nur Gott ist mein Fels und meine Befreiung, meine Burg. Ich werde nicht wanken – nicht sehr. Wie lange wollt ihr eine Einzelne bestürmen? Wollt ihr sie morden, ihr alle, wie eine fallende Wand, eine stürzende Mauer? Nur das ist ihr Plan: Sie von oben herabzustürzen. Täuschung gefällt ihnen. Mit dem Mund segnen sie, in ihrem Inneren fluchen sie. Nur bei Gott werde still, mein Leben! Ja, von ihm kommt meine Hoffnung. Nur er ist mein Fels und meine Befreiung, meine Burg. Ich werde nicht wanken. Bei Gott liegt meine Freiheit und meine Würde, Fels meiner Macht, meine Zuflucht bei Gott. Vertraut auf ihn zu jeder Zeit, Leute! Schüttet vor ihm euer Herz aus! Gott ist Zuflucht für uns. Sela Nur Nebelhauch sind die Menschenwesen, Täuschung sind Männer und Frauen. In Waagschalen steigen sie auf, leichter als Nebelhauch. Vertraut nicht auf Erpressung! Durch Raub lasst euch nicht vernebeln! Wenn das Vermögen wächst, setzt das Herz nicht darauf. Eins hat Gott gesagt, zwei sind es, die ich gehört habe: dass Macht bei Gott ist, und Freundlichkeit, Gebieter über uns, bei dir, dass du allen gibst, wie es ihrem Handeln entspricht.
Als Andacht an diesem Sonntag laden wir ein zu einem Rundgang durch die Ausstellung „Wer bist du nun, meine Tochter? | Zehn Collagen zum Buch Rut“. Eigentlich sollte diese Ausstellung ganz real mit Lesung, Gespräch und kleinem Empfang eröffnet werden, aber auch das musste Corona bedingt abgesagt werden – zumindest teilweise. Die Bilder des Graphikers Gerhard Schneider sind nämlich dennoch zu sehen – derzeit in der Winterkirche von St. Nikolai, Greifswald und … hier! Und den Audioguide gibt es auch dazu. 🙂 Viel Freude also beim Betrachten der Bilder, beim Hören der biblischen Erzählung und beim Wiederentdecken der Rut!
Wer bist du nun, meine Tochter? (Nacherzählung von Franziska Pätzold)